Gesellschaft für außergewöhnliche Ideen

SZ vom 27./28. Januar 2001, Seite 63

Dass einer allen Ernstes von Beruf "Problemlöser" sein soll - das kennt man eher aus Witzen oder Filmen als aus der Realität. Seit wenigen Jahren gibt es diese Tätigkeit jedoch wirklich: Pronlemlöser, auch Ideenfinder genannt, tüfteln zu jeder Schwierigkeit, die ein Kunde hat, eine Strategie aus, wie man sie bewältigen könnte. Nur selten treten solche Erfinder als Einzelkämpfer auf - meist führen einschlägige Agenturen die Kompetenz von Textern, Gestaltern und Geschäftsprofis zusammern.

Problem abgeben, warten, Lösung abholen

So genannte Ideenfinder bieten eine neuartige Dienstleistung an: Sie zerbrechen sich für ihre Kunden den Kopf – egal worüber 

Wer ein Problem hat, ganz gleich welches, der kann es hier sozusagen an der Ladentheke abgeben: Die Firma Brainstore im Schweizer Städtchen Biel bei Bern wird versuchen, eine kreative Lösung dafür auszuknobeln. In dem gut drei Jahre alten
Unternehmen sind 30  Profis mit nichts anderem befasst, als Ideen zu entwickeln. Und ein Netz von mehr als 2500 freien Mitarbeitern weltweit denkt mit. Eine besondere Ausbildung dafür hat keiner von ihnen – die gibt es auch noch gar nicht. Ob jemand studiert hat, interessiert nicht: „Es ist nicht wichtig, ob man ein Diplom oder einen abgeschlossenen Lehrgang hat“, erklärt Brainstore-Geschäftsführerin und Mitgründerin Nadja Schnetzler, „wichtiger sind geistige Offenheit, Spaß am Ungewöhnlichen und vor allem eine große Portion Neugier.“ Das Team ist bunt gewürfelt aus Schulabgängern, Studenten, Grafikern, Textern, Gastronomen, Juristen und Kaufleuten. Durchschnittsalter: 26  Jahre. 

Zu kaufen gibt es alles, was den Schwierigkeiten des Kunden abhelfen könnte: von der Geschenkidee über die Diebstahlsicherung für den Mercedes-Stern bis zum Konzept für eine attraktive Jugend-Bahnkarte, zur Kreation eines Kultgetränkes oder zur Erfindung eines neuen Mediums für den Verlag Ringier. Auf der Kundenliste stehen Coca Cola, Nestlé, Coop, C&A, Crossair, das Schweizer Fernsehen und Crédit Suisse. Blitzideen für Privatleute kosten 12,80  Mark, kommerzielle Strategien, an denen Monate gearbeitet wird, können mit mehr als einer Million Mark zu Buche schlagen. Der Preis richtet sich – wie bei jedem Mechaniker oder Maurer – nach Zeit- und Materialaufwand. Natürlich dürfen die Ideenfinder dabei nicht ewig grübeln, bis der Geistesblitz kommt. Also treffen sie sich zu Brainstormings und Rollenspielen, befragen Experten, recherchieren im Internet. Die von Brainstore entwickelte „Creating-Community-Methode“ führt unbefangene, frei denkende Jugendliche mit Organisatoren und Fachleuten zusammen, die gemeinsam an einem Projekt arbeiten. 

Gut ist, wer ein bisschen spinnt

Das bislang einzige deutsche Pendant zu der Schweizer Ideenschmiede ist die Berliner Firma Knack die Nuss. Die Problemlöser haben sich vor zwei Jahren selbständig gemacht. Es folgte eine entbehrungsreiche Aufbauphase, die jetzt
überstanden ist. „Der Bedarf ist da, über mangelnde Arbeit können wir nicht klagen“, sagt Matthias Klopp. Er ist studierter Kaufmann, arbeitet in der Firma als Berater und Trainer, hilft Unternehmen und Organisationen bei der Entwicklung neuer Projekte. Kompagnon Martin Gaedt agiert als kreativer Gedanken-Geburtshelfer in der Wirtschaft sowie im Social-Profit-Bereich und hat sich auf Freiwilligenmanagement und Kreativwettbewerbe spezialisiert. 

Für genial halten sich die beiden nicht. Eher für aufmerksam und neugierig: Das sind ihrer Meinung nach die wesentlichen Eigenschaften, die man in ihrem Beruf haben muss. „Außerdem sollte man analytisch denken können und trotzdem fantasiereich
sein, spinnen können, ohne gleich alles zu kritisieren“, sagt Matthias Klopp. Diese Eigenschaften hat so mancher. Nur: Wie merkt man, dass man wirklich das Zeug zum Ideenfinder hat? „Gut ist, wer von sich sagen kann, dass er Probleme besser
erkennt und Sachverhalte schneller durchblickt als andere. Gut ist auch, wem ständig verrückte Sachen und Verbesserungsvorschläge einfallen“, erklärt Klopp. Diesem Anforderungsprofil folgend sucht er Partner und freie Mitarbeiter für die Recherche und Spezialisten für die Umsetzung von Einfällen. Sehr gefragt sind Mitarbeiter, die sich an die Entwicklung von Geschäftskonzepten heranwagen, was neben Strategieberatung und außergewöhnlichen Marketing-Aktionen einen wichtigen Teil der Arbeit in der jungen Agentur ausmacht. 

Diejenigen, denen die Tüftler auf die Sprünge geholfen haben, sind in der Regel von ihnen recht angetan – selbst wenn die Lösung eigentlich einfach selbst zu finden gewesen wäre. Thomas Kegel von der Akademie für Ehrenamtlichkeit lobt sie als
„Ideenbeschleuniger“. In ihren Seminaren an der Akademie helfen die beiden laut Kegel den Teilnehmern, sich zu entkrampfen, „bevor sie im Sumpf ihrer Schwierigkeiten versinken“. Unternehmensberater Martin Sinell, der die beiden als Co-Trainer zu seinen Erfolgsseminaren einlädt, findet es überzeugend, wie sie „Gedanken weiterspinnen, ohne spinnert zu sein.“ 

Ein guter Einfall und eine geschickt gelöste Aufgabe genügen aber nicht immer, gerade wenn es um technische Fragen geht. Entscheidend ist das Marketing. Insofern sollte ein Profi in dieser Branche auch immer ein guter Verkaufsstratege sein. Das
bestätigt Armin Witt, Gründer der Münchner Gesellschaft für außergewöhnliche Ideen, eines Vereins, der die Interessen von Erfindern und Entdeckern vertritt. Witt weiß nur zu gut: „Erfinder sind selten gute Kaufleute.“ Umgekehrt fehlten vielen Kunden das technische Wissen und die Vorstellungskraft für einen neuen Denkansatz, so dass sie das Geniale daran gar nicht erkennen könnten. 

Geistiger Diebstahl

Da hilft dann nur ein Problemlöser mit Kommunikationstalent. „Das Berufsbild kann sich ohne Zweifel verbreiten“, sagt Witt, „eine Schwierigkeit ist allerdings: Kaum jemand will angemessen für gute Ideen zahlen. Es herrscht die Meinung vor, die sind
umsonst zu haben. Was zählt, sind allein fertige Produkte.“ Es gelte also, das geistige Eigentum von Anfang an zu schützen und einen Auftrag klar genug abzusprechen, damit es nicht zum Ideenklau kommt. Eine Sorge, die sich aus vielen Beispielen der
Erfindervereinigung speist: „Firmen saugen Leute aus, indem sie sich deren Einfälle erklären lassen, viel fragen – und schließlich klauen.“ Das ist eine weitere Chance für die Tüftel-Profis, sich auf dem Markt zu etablieren: als Fachleute, die nicht nur
unkonventionell denken, sondern zugleich wissen, wie man sich gegen Klau schützt und gute Ideen auch gut verkauft. Auch wenn der Job für Neueinsteiger hart ist, bleibt er jedenfalls konjunkturunabhängig und krisensicher. Denn Probleme gibt es ja
bekanntlich immer. 

Chris Löwer 
___________
Kontakt: 

BrainStore AG, Tel.: 0041.32.32100-00; 

Gesellschaft für Außergewöhnliche Ideen, Armin Witt (über eMail); 

KnackdieNuss!, Tel.: 030.80907016 
 

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Kontakt: E-Mail: arminwitt@t-online.de

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