Gesellschaft für außergewöhnliche Ideen

„Die Majestät Gottes verherrlichte er in seiner Wissenschaft“

Newtons Grabstein 

"Hier ruht 
Sir Isaak Newton, welcher als Erster durch fast göttliche Geisteskraft der Planeten Bewegung und Gestalten, der Kometen Bahn und der Gezeiten Verlauf durch seine eigene Mathematik bewies. Die Verschiedenheit der Lichtstrahlen, die darauf beruhenden Eigenschaften der Farben, von denen niemand nur ahnte, erforschte er. Er war der Natur, des Altertums, der Heiligen Schrift flüssiger, scharfsinniger Erklärer. Die Majestät Gottes verherrlichte er in seiner Wissenschaft. Die Schönheit des Evangeliums zeigte er durch seinen Lebenswandel.
Mögen
die Sterblichen sich freuen, dass er unter uns lebte."
Grabinschrift in der Westminsterabtei


Klaus Ohlmer über Isaak Newton

Religion und Magie in der Wissenschaft-

wie aber sind dann die Erfolge in der klassischen Physik zu erklären?

     Vortrag vor der Gesellschaft für außergewöhnliche Ideen am 29. September 2006

 Ich bedanke mich bei Ihnen herzlich für Ihre einführenden Worte und ganz besonders dafür, dass Sie mir die Möglichkeit geben, meine Kritik zu Newtons Physik vor der Gesellschaft für außergewöhnliche Ideen vortragen zu können.

Verehrte Damen und Herren, vielleicht haben sich einige von Ihnen den Link zu Newton auf den Seiten der Gesellschaft angesehen, auf den in der Ankündigung zu diesem Abend verwiesen wird. Diese Seite aus Meyers Konversationslexikon listet nicht nur seine wissenschaftlichen Arbeiten auf, sondern macht auch die Wertschätzung deutlich, die Newton stets entgegengebracht wurde.

Wie auch immer! Sie alle kennen Sir Isaak Newton. Keiner von Ihnen aber kennt Klaus Ohlmer.

Ich muss mich Ihnen also kurz vorstellen.

Ohlmerportrait Ich bin Jahrgang 40, geboren in Beuthen in Oberschlesien, habe die frühe Kindheit in der Papststadt Wadowice verbracht, die Flucht trotz Bombenangriffen, Tieffliegerbeschüssen und fürchterlichem Tschechenterror, obwohl verletzt an Leib und Seele, überlebt und meine unterbrochene Kindheit in Lüdenscheid im Sauerland fortgesetzt.

Dort erlebte ich mich trotz aller Entbehrungen der Nachkriegszeit in meiner Familie als geliebtes und behütetes Kind, so dass ich mich einfach nur wohl fühle, wenn ich an diese Zeit zurückdenke.

In meinem Lateinlehrer Herbert Schönfeld fand ich bald einen zusätzlichen Ziehvater. Bei ihm, seiner Familie und seinem Freundeskreis bekam ich gewisse Extras im Bereich der Kunst, Literatur und Musik, die ich sonst nirgendwo haben konnte und die ich dankbar annahm.

Herbert Schönfeld war ein bedeutender Kulturschaffender, u. a. auch ein bekannter Literaturkritiker, der nicht nur den Verleger Ernst Rowohlt zu seinen Duzfreunden zählte. Durch ihn lernte ich viele deutsche Schriftsteller wirklich hautnah kennen und über seinen Intimus Konrad Ameln, Professor der Musikwissenschaft, den Wiederbeleber der Quempas-Lieder, Vorsitzenden der Welthymnologen-Vereinigung, und wohl besten Bachkenner überhaupt, auch viele hervorragende Musiker.

Ich hätte also durch diese Förderungen eigentlich Literat oder Musiker werden müssen.

Wurde ich aber nicht. Denn da gab es noch den 3. Mann in meinem Leben, meinen Mathematik- und Physiklehrer Dr. Markwald. Er war ein begnadeter Didaktiker der Mathematik. Leider verstarb er wenig später,  als Gründungsrektor der Ruhruniversität – wie ich gehört habe -, so dass er seine Aufzeichnungen dazu nicht mehr veröffentlichen konnte.

In seinem Unterricht und seinen außerunterrichtlichen Veranstaltungen habe ich nach und nach immer deutlicher realisiert, welche Bedeutung es hat, dass es für die Naturwissenschaften nur eine einzige Autorität gibt, nämlich das Experiment. Irgendwie war ich es ohnehin leid, im philologischen Bereich Aussagen zitieren zu müssen, die mein Friseur sinngemäß schon durchaus treffender formuliert hatte – und ich habe diesen Bezug zum Experiment geradezu wie eine Offenbarung aufgenommen.

Letztlich (das ist nicht ohne innere Kämpfe abgelaufen, denn mir war klar, dass ich mir wohlgesinnte Menschen gegen eine ungesicherte, fremde Welt abzuwägen hatte!), habe ich mich für ein naturwissenschaftliches Studium entschieden und bin Lehrer für Chemie und Biologie geworden – Lehrer auch deshalb, weil ich meinem sozialen Vater Herbert Schönfeld und meinem geliebten Lehrer Dr. Markwald nacheifern wollte. Wenn man den Erfolg am Output misst, dann ist es mir vielleicht sogar zum Teil gelungen, denn ich hatte Kurse, aus denen über 70 % der Absolventen ein Studium meiner Unterrichtsfächer aufgenommen haben.

Anregungen meiner Professoren, schon während des Studiums im systematischen Bereich zu veröffentlichen, bin ich nach reiflicher Überlegung nicht nachgekommen, weil ich „Wesentlicheres“ zu Papier bringen wollte.

Mit engagierten Chemie-Kollegen habe ich aber bald nach meiner Anstellung als Koautor an einem Unterrichtswerk zur Organischen Chemie mitgearbeitet. Das hatte schon etwas Wesentliches. Es hat nicht nur viele theoretische Neuerungen für den Oberstufenunterricht vorgelegt, sondern machte Schülerexperimente zum Unterrichtsprinzip. Und das mit sehr gutem Erfolg.

Meine ausgeprägte Kritikbereitschaft auch bei allgemein akzeptierten wissenschaftlichen Theorien hat gewiss die beste Nahrung durch die Lektüre des Romans „Das Holzschiff“ von Hans Henny Jahnn bekommen. „Man glaubt an die Wand“ schreibt Jahnn darin, um das maßlose Entsetzen eines jungen Paares zu erläutern, das seine Kabine untersucht und feststellen muss, dass sich dort, wo eigentlich eine Wand hätte sein müssen, in Wirklichkeit Nichts und dahinter ein Hohlraum befand.

Seit ich das gelesen habe, glaube ich im Bereich der real fassbaren Welt gar nichts mehr, es sei denn, ich selbst habe die experimentellen Ergebnisse und ihren wissenschaftlichen und logischen Zusammenhang überprüft. In viele Überprüfungen habe ich so viel Zeit investiert, dass es nicht mehr nach Wochen oder Monaten zu bemessen ist. Letztlich war das aber doch nicht vergeblich, denn ich habe jetzt konkrete Ergebnisse vorliegen, die ich Ihnen für die so genannte klassische Physik heute vorstellen möchte.

 

Und damit zurück zu Newton!

 

Ich nehme mir das selbstverständliche, naturwissenschaftliche Recht, auch die Aussagen dieses großen Mannes einer grundsätzlichen Kritik zu unterziehen.

Höchstwahrscheinlich werden Sie zunächst massive Abwehrhaltungen aufbauen. Es wird Ihnen quer runtergehen, und Sie werden nicht wirklich akzeptieren wollen, was ich Ihnen dazu erläutern werde. Aber es wird Ihnen nicht aus den Gedanken gehen und ich bin sicher, irgendwann werden Sie erkennen, Ihre Haltung ist nur daran begründet, dass Sie mit der Trägheitsphysik Newtons keine Wissenschaft, sondern Glaubenssätze abgespeichert haben, und die lassen sich nun mal auch rational-argumentativ nicht so einfach wieder löschen.

 

Ich untergliedere meinen Vortrag in sechs kleinere Abschnitte:


1. Naturwissenschaft und Magie

Es geht hier um Entsprechungen und um Zukunftsaussagen.

Seit es eine wissenschaftliche Naturbetrachtung gibt, steht nicht nur einigen Privilegierten, sondern allen Menschen ein Instrumentarium zur Verfügung, das über das Verfahren der Deduktion aus Theorien sichere Zukunftsaussagen ermöglicht. Naturwissenschaften sind in dieser Hinsicht höchst demokratisch. Da zählt nämlich nicht die Person, sondern die Sache. Da ist nicht der Experimentator die Autorität, sondern allein und ausschließlich das Experiment.

Dieses Verfahren der Zukunftsbewältigung umfasst zwar nur einen ganz winzigen Bereich des gesamten menschlichen Lebens, es ist aber immer noch besser als gar nichts an solchen Möglichkeiten in der Hand zu haben.

Die Deduktion von einer naturwissenschaftlichen Theorie auf ein zugehöriges spezifisches Ereignis ist jedoch keine selbstverständliche Angelegenheit, die sich sozusagen von allein erledigt.

Die Festlegung des Geltungsbereiches eines naturwissenschaftlichen Gesetzes ist dabei von eminenter Bedeutung, denn die bei der Induktion an einem Einzelfall gefundene Gesetzmäßigkeit wird ja in einem Verfahren der Verallgemeinerung auf eine Gruppe gleichartiger Ereignisse übertragen.

Der Anwender muss sich dazu die Fakten in einem Lernvorgang aneignen, denn logisch lassen sie sich nicht erschließen. Ließe sich das Geschehen in der Natur als Abfolge von Ereignissen der Logik unterwerfen, brauchte man keine Beobachtungen und Experimente durchzuführen, und man könnte sich die Ergebnisse ganz einfach ausdenken. Trotzdem ist die Natur in ihren Phänomenen auf keinen Fall widersprüchlich. Sie zeigen in ihrem Ablauf eine Bestimmtheit und zeitliche Gerichtetheit, die als Kausalitätsprinzip charakterisiert wird. Unter definierten Randbedingungen laufen sie ja stets in derselben Weise ab, und nur deshalb ist Naturbeschreibung als Wissenschaft überhaupt möglich.

Seit Galilei am Turm zu Pisa mit Marmorkugeln eine Gesetzmäßigkeit für den freien Fall gefunden hat, wurde sie vielfältig überprüft, und sie gilt nun nicht nur für den Turm zu Pisa, nicht nur überall in Pisa und auch nicht nur für Marmorkugeln, sondern für den freien Fall beliebiger Körper überall auf der Erde, selbst auf hohen Bergen und in tiefen Tälern. Die Kenntnisse über den Anwendungsbereich allein reichen aber noch nicht aus, um eine Aktion in Gang zu setzen und so zu bestimmen, dass sie irgendwann später in der Zukunft zu genau dem Ergebnis führt, das in dem naturwissenschaftlichen Gesetz beschrieben wird.

Jedes Geschehen in der Natur kann nämlich in seinem Ablauf durch Störfaktoren beeinflusst werden, und es ist deshalb notwendig zu wissen, welche Störungen für welches Ereignis in Frage kommen. Nur dann kann man daran gehen, sie entweder zu eliminieren oder aber sie in den Vorgang mit einzubeziehen. Beide Möglichkeiten sind nicht einfach zu handhaben und oft genug erweist sich dieses Vorhaben sogar als unmöglich.

Selbst bei einer so überschaubaren Gruppe von Ereignissen wie “Körper im freien Fall“ muss also streng darauf geachtet werden, dass ein Gegenstand so fällt, dass sich das Gesetz auch tatsächlich realisieren kann. In zu engen Röhren ergeben sich beim Fall eines Körpers störende Turbulenzen, in der Nähe großer Massen resultieren Abweichungen durch deren Anziehungskraft, und falls die Formen eines Gegenstandes einen zu großen Luftwiderstand ausüben, dann segelt er sogar in der Luft herum anstatt anständig herunter zu fallen. Aber wem sag ich das! Ihnen als Ingenieuren ist dies bekannt.

Anders als die Deduktion aus einem Denkprinzip ist deshalb die Ableitung eines Geschehens aus einer Theorie immer auch eine Handlungsanweisung, das gewählte Ereignis mit einem vorgegebenen, gesetzmäßig beschriebenen Vorgang in optimaler Weise zur Deckung zu bringen. Man orientiert sich hierbei in der klassischen Physik leider immer noch in rein platonischem und damit hermetischem Sinn an einem Urtypus des Ereignisses, das – von allen Zufälligkeiten bereinigt – den idealen Vorgang repräsentiert. Kein Chemiker käme heute noch auf die Idee, einen Reaktionsmechanismus oder definierte Reaktionsbedingungen unter hermetischen Aspekten zu betrachten. In der Physik hat der Platonismus jedoch ein festes Standbein. Und die Physiker sind sich dieser Tatsache nicht einmal bewusst.

Den zu untersuchenden Einzelfall muss man dann so gut wie möglich dem vorgegebenen, gesetzmäßig beschriebenen Ereignis anpassen, um ihn damit zu korrelieren. Diese Verfahrensweise ist so charakteristisch für die naturwissenschaftliche Arbeit, dass ich sie als Korrelationsprinzip kennzeichnen will.

Die sichere Anwendung von Korrelationen zeichnet die Könnerin und den Fachmann aus. Der Anfänger kann manchmal sogar daran verzweifeln, weil es ihm nicht gelingt, die Korrelationen erfolgreich einzurichten. Und manch einer kehrt den Naturwissenschaften deshalb den Rücken, weil er nicht gewillt ist, sich in dieser Weise um einen sicheren Ausgang eines Experimentes zu bemühen.

Vergleichen wir dieses naturwissenschaftliche Verfahren mit der Hermetik!

Die Hermetik ist eine schriftlich überlieferte Lehre, die dem Hermes Trismegistos zugeschrieben wird. Er wird auch mit dem griechischen Götterboten Hermes in Verbindung gebracht und dem altägyptischen Gott Thot gleichgesetzt, dem Gott der Magie und der Schrift.

In dieser Lehre werden die Axiome der Logik durchaus beachtet und das Kausalitätsprinzip wird nicht bestritten. Die Hermetiker waren stets viel zu klug, als dass sie in irgendeiner Weise die Ursache-Folge-Beziehungen in Frage gestellt hätten, mit denen die Menschen unentwegt konfrontiert werden. Dem Satz vom zureichenden Grunde werden jedoch andere Erfahrungsprinzipien übergeordnet. Die herausragende Bedeutung hat dabei das Korrespondenzprinzip, das auch als das Gesetz der Analogien bezeichnet wird. Danach stehen Makrokosmos und Mikrokosmos in einem inneren Zusammenhang von Entsprechungen, wodurch alle Bereiche und Vorgänge des Universums ganzheitlich miteinander verbunden sind. Deshalb läuft jedes Geschehen in einem Wechselspiel von Analogien ab.

So wie dort oben im Makrokosmos am Himmel die Gestirne ihre Bahn ziehen, so werden hier unten im Mikrokosmos auf der Erde die Menschen bewegt. Und nach der Art und Weise, wie ein Mensch eine Handlung ausführt, findet sie ihre Entsprechung in anderen Bereichen der belebten und unbelebten Natur.

Die Hermetik setzte breite kosmologische, metaphysische und erkenntnistheoretische Grundlagen, die sich insbesondere während der Renaissancezeit zu wissenschaftlicher Forschung weiterentwickeln konnten. So hat sich die heutige Chemie aus der Alchemie herauskristallisiert, die mit ihrer Suche nach Elementumwandlungen und dem Stein der Weisen eine typische Lehre der Hermetik war. Immerhin hat Böttiger auf diese Weise das Porzellan neu erfunden, und diese Tatsache zeigt deutlich, dass die Hermetik nie der Realität entrückt war – sie hat sie nur auf eine andere Weise beschrieben.

Nicht zu vergleichen mit den primitiven Beschwörungsritualen der Schamanen und Druiden ist die Hermetik eine Methode allumfassender Zusammenhänge und der Möglichkeiten ihrer Beeinflussung. Hermetik war deshalb von den Tagen Thots an immer auch der Versuch, die Realität nach eigenen Vorstellungen und Wünschen zu gestalten und damit auf das zukünftige Geschehen Einfluss zu nehmen.

Der Versuch der Manipulation der Wirklichkeit, ist derjenige Teil der Hermetik, den man im engeren Sinne als Magie bezeichnet und der bei vielen Menschen fälschlicherweise für die gesamte Lehre steht.

Hermetische Vorstellungen haben in der Geschichte viele Lebensbereiche geprägt und sie sind auch heute selbstverständlicher Bestandteil der Auseinandersetzung mit der Welt in der Entwicklung eines jeden Menschen.

So waren etwa die Pythagoräer mit ihrer Suche nach mathematischen Zusammenhängen ausgemachte Hermetiker, und man kann nicht abstreiten, dass sie es zu unserem Vorteil waren. Ebenso haben wir von Platon viel gelernt, der die Hermetik gewissermaßen unterrichtete und ihre Lehren mit eigenen Erkenntnissen verband. Seine Ideenlehre besitzt nicht nur einige hermetische Elemente, sie ist in allen Teilen durch und durch hermetisch geprägt.

Und für Kinder sind hermetische Verknüpfungen die einzigen Zusammenhänge, die sie nachvollziehen können.  

 Man braucht eine Menge Wissen, um ein Geschehen wie das Gewitter naturwissenschaftlich angemessen zu beschreiben und muss dazu einen Haufen spezifischer Fakten erlernt haben. Genau das aber haben Kinder noch nicht, und so lange, bis dies geschehen ist, ist die Herstellung von Korrespondenzen und Analogien die einzige Möglichkeit zur Beschreibung von Zusammenhängen und Abhängigkeiten, die den eingeschränkten Bedingungen ihres Verständnisses angemessen ist.

Erst ab einem Alter von etwa zehn Jahren beginnt die wissenschaftliche Weltsicht in den Erklärungsmustern zu dominieren.

Keiner legt aber die Hermetik ab wie ein zu klein gewordenes Hemd. Man schlüpft sein ganzes Leben lang immer wieder mal hinein und fühlt sich darin wohl.

Es gibt wichtige Lebensbereiche, die Domänen der Hermetik sind, weil sie der Beschreibung durch wissenschaftliche Methoden nicht zugänglich sind.

Die Musik zählt genauso dazu wie innige Beziehungen von Menschen und die Religion, denn jedes Gebet ist schließlich ein hermetischer Akt.

Die Hermetik ist also nicht nur ein historisches und individualgeschichtliches Phänomen, sie ist fortdauernder Bestandteil im Leben eines jeden Menschen.

Diese Tatsache macht auf zweierlei aufmerksam: Zum einen sollte man keinesfalls versuchen, hermetische Vorstellungen aus den ihnen angemessenen Positionen zu verdrängen, in denen sie einen anders nicht auszufüllenden Platz einnehmen. Zum anderen aber sollte man peinlich genau darauf achten, dass Wissenschaft sich nicht mit Korrespondenzen und Analogien vermischt, sondern ausschließlich mit wissenschaftlichen Methoden betrieben wird.

In der Abfolge der naturwissenschaftlichen Arbeit ähnelt bereits die Festlegung eines Anwendungsbereiches für ein einzelnes, induktiv gefundenes Ergebnis dem hermetischen Prinzip der Korrespondenz. Man sucht ja dabei ebenfalls nichts anderes als Entsprechungen für den untersuchten Einzelfall.

Noch deutlicher werden die Ähnlichkeiten zur Hermetik bei den in die Zukunft weisenden Aktionsvorschriften, die mit der Deduktion aus einer Theorie verbunden sind. Wir hatten gesagt, dass eine naturwissenschaftliche Anwendung nur dann erfolgreich ablaufen kann, wenn das geplante Geschehen einem bereits erfassten Ereignis, das gleichsam als Vorbild dient, angeglichen wird und durch die Ausschaltung von Störgrößen in optimaler Weise damit korreliert wird.

Das Korrelationsprinzip der Wissenschaft und das Korrespondenzprinzip der Hermetik beschreiben beide in formal derselben Weise ein Verfahren der Entsprechung. Inhaltlich sind die Unterschiede jedoch gewaltig. In der Hermetik geht es stets um den Versuch, durch eine Handlung Auswirkungen auf sachlich vollkommen andere, wesensfremde Bereiche herzustellen. In der Wissenschaft geht es dagegen immer nur darum, Entsprechungen zu einem Ereignis derselben Kategorie und Qualität zu finden.

Dieser Unterschied wird leider nicht immer deutlich genug gesehen, und das ist die Ursache vieler Irrtümer. Hier gibt es eine breite Einflugschneise für die Hermetik in den Bereich der Naturwissenschaften.


2.Doppeldefinitionen

Essentiell für das System der Dynamik Newtons ist das Materiemerkmal der trägen Masse. Einleitend beschreibt er sie in den „Prinzipia mathematica philosophiae naturalis“ in der Definition 1 in seiner bevorzugten Beschreibungsform der „quantitas materiae“ als das Produkt aus Dichte und Volumen.

Auch wenn bereits seit der Antike Vorstellungen über die Dichte von materiellen Körpern bekannt waren und Messungen von Volumina für den Mengenvergleich von Materialien zur alltäglichen Praxis gehörten, so waren vor Newton weder die Dichte noch die Masse physikalisch definiert. 

Newton griff christlich-religiöse Überlegungen der Scholastik wieder auf und er fand die Bestätigung für die physikalische Existenz einer die Materie charakterisierenden Masse bei seinen Überlegungen zur heiligen Kommunion. Er sah in der Masse dasjenige Merkmal der Materie, das bei der Transsubstantiation von Brot und Wein unverändert bewahrt bleiben musste. Damit beendete er die bereits Jahrhunderte währenden Dispute zur Problematik der Eucharistie, die sich an einer noch vorwissenschaftlichen Erhaltungsvorstellung der Materie entzündeten. Es sollte für die Physik von eminenter Bedeutung sein, sich diese Ursache für die Institutionalisierung der Masse bewusst zu machen, denn eine naturwissenschaftliche Notwendigkeit kann diese Herleitung der Masse durch Newton nicht beanspruchen. Die Masse ist nun mal eine durch und durch religiös bestimmte Vorstellung. Sie kann den Rang einer physikalischen Größe nicht beanspruchen, denn tatsächlich gibt es keine Beobachtung und kein einziges Experiment, aus denen man in wissenschaftlich zwingender Weise auf die Existenz einer Masse als Materiemerkmal schließen müsste.

Ähnliche Vorstellungen zur Existenz einer Masse wurden auch schon früher geäußert. Newton war jedoch derjenige, der die Masse als physikalische Größe in die Physik eingeführt hat, indem er durch seine Definition unterstellte, dass sie metrisierbar sei.

Nun weiß jeder, dass es nicht möglich ist, eine unbekannte Größe durch eine andere zu definieren, die ebenfalls nicht bestimmt ist. Newton aber tat es trotzdem und viele haben sich an seiner Definition der Masse gestoßen und sie als einen „circulus vitiosus“ beschrieben, weil die Definition der Masse letztlich nicht explizit gelingt, sondern wieder auf sie zurückführt.

Der Begriff der „Doppeldefinition“ trifft den Sachverhalt aber wohl genauer, da hier der Versuch vorliegt, zwei noch nicht definierte Größen mit Hilfe einer definierten gemeinsam und in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander zu definieren. Damit ist Newton nicht nur der Schöpfer der klassischen Physik sondern zugleich auch der Urheber der Doppeldefinition in Bezug auf die Größen einer wissenschaftlichen Disziplin.

Die Masse ist dabei nach Newtons Ansatz die primär gesetzte Größe, die Dichte die davon abhängige. Bis zum Beginn des vergangenen Jahrhunderts wurde zwar heftig darum gerungen, ob seine Setzung den Phänomenen besser gerecht wird, oder ob doch eher die Masse als eine von der Dichte abhängige Größe betrachtet werden sollte.

Die Überlegungen unserer Vorgänger darüber, ob die Masse oder die Dichte als abhängig definierte Größe aufzufassen ist, sind von großer Bedeutung. Sie weisen nämlich darauf hin, dass eine formale Beliebigkeit für diese Definitionen vorliegt, mit der allerdings nie wirklich Ernst gemacht wurde.

Auch wenn der Begriff der Doppeldefinition dies vortäuscht, so handelt es sich bei dieser Struktur keinesfalls um eine Definition im wissenschaftlichen Sinne, denn sie definiert ein Ereignis weder in expliziter noch in impliziter Form. Stattdessen verknüpft sie über eine definierte Größe ein bestimmtes Begriffspaar. Tatsächlich erlaubt es die formale Struktur dieses Verfahrens nicht, einem dieser beiden Begriffe eine Priorität in dem Sinne zuzuordnen, dass er als „unabhängig vorgegeben“ deklariert werden dürfte.

Leider ist es jedoch in letzter Konsequenz bisher keinem eingefallen, einem Normkörper definitorisch eine „Dichte“ als grundlegende physikalische Größe zuzuordnen, aus der dann die Größe einer „Masse“ abgeleitet werden kann.

Selbstverständlich ist das ganz einfach machbar, aber man kann sogar in Grenzen Verständnis für diese Zurückhaltung aufbringen, denn bei Newtons Beschreibungssystem handelt es sich um ein komplexes Geflecht sich gegenseitig stützender Setzungen. Selbst berechtigte Kritik an einer einzelnen Aussage und der Versuch einer Korrektur kann nicht das gesamte System in Frage stellen und schafft möglicherweise mehr Verwirrung als Nutzen.

Wesentlich zur Stabilität des klassisch genannten Systems hat die Kraftdefinition Newtons beigetragen, die inhaltlich geradezu als unantastbar betrachtet wird. Immerhin war es trotz der Doppeldefinition von Masse und Dichte möglich, das allgemeine Gravitationsgesetz so zu gestalten, dass es die unbezweifelbaren und sehr bedeutsamen experimentellen Ergebnisse Keplers mit einbezog.

Eben dieses Gravitationsgesetz begründete einen enormen wissenschaftlichen und technischen Fortschritt. Der feste Glaube an die reale Existenz einer die Materie quantitativ kennzeichnenden Masse hat seinen Grund ganz gewiss in der hervorragenden Anwendbarkeit derjenigen physikalischen Gleichungen, die auf die Masse rekurrieren.

Die Erfolge sprechen für sich, aber sprechen sie auch für die Masse?

Es kann bei einer Argumentation um die wissenschaftliche Validität einer Aussage aber prinzipiell nicht um den Erfolg gehen, denn auch mit dem ptolemäischen Beschreibungssystem konnte man außerordentlich genaue Angaben zu den Planetenbewegungen machen, und trotzdem entsprach dieses System nicht den von der Natur vorgegebenen Phänomenen.

In diesem Zusammenhang muss man feststellen, dass es zu keiner Gleichung der Mechanik so viele formale Untersuchungen gibt, wie zur mathematischen Form der newtonschen Kraftbeschreibung. In der Eulerschen Formulierung als Produkt aus Masse und Beschleunigung wird sie als Grundgleichung der Mechanik je nach Belieben als Definition oder als Gesetz oder aber auch vollkommen widersprüchlich sogar als „definitorisches Gesetz“ charakterisiert.

Betrachtet man diese Gleichung jedoch unvoreingenommen, dann stellt man fest, dass sie nichts von alledem ist.

Wir haben uns in Bezug auf diese Kraftgleichung daran gewöhnt, die Masse als Basisgröße zu definieren und daraus die Größe der Kraft mit Hilfe der Beschleunigung als abgeleitete Größe zu beschreiben und fassen diesen Schritt möglicherweise als eine normale Definition auf.

Um eine wirkliche Definition handelt es sich jedoch bei der Kraftgleichung nicht. In Newtons Konzept ist nämlich von vornherein festgelegt, dass die Kraft so beschrieben werden muss, dass sie proportional einer Materiequantität ist, eben der von ihm etablierten Masse. Da aber die Kraft als Ursache der Änderung eines Bewegungszustandes notwendigerweise auch in einer proportionalen Beziehung durch die Beschleunigung beschrieben werden muss, wird mit der Definition der Masse zugleich und davon streng abhängig auch die Kraft definiert. Newton blieb nämlich seiner fragwürdigen Methodik treu und erschuf auch hier eine weitere Doppeldefinition. Bei der Kraftgleichung liegt dasselbe Prinzip vor, wie wir es bereits bei der Masse/Dichte-Definition gefunden haben: Zwei physikalische Begriffe werden über eine bereits definierte Größe in eine gegenseitige Abhängigkeit gesetzt – allerdings hier in einer etwas versteckteren Form.

Man kann aber sehr schnell diesen Charakter der Doppeldefinition in der Kraftgleichung offenlegen, indem man nicht die Masse als Basisgröße definiert, sondern die Kraft. Auch das ist meines Wissens bisher nie versucht worden, ist jedoch ohne weiteres machbar. Man kann das gesamte Metrisierungsverfahren sogar so gestalten, dass die verwendeten Größen und Größenwerte dabei unverändert bleiben. Es ändert sich dann allerdings die formale Bedeutung der Masse, die bei diesem Ansatz zu einer abgeleiteten Größe wird, während umgekehrt die Kraft zu einer Basisgröße mutiert.

  Man braucht keine modernen, ausdifferenzierten Aspekte der Logik in Anspruch zu nehmen, um die Doppeldefinition von Masse und Kraft als wissenschaftlichen Unsinn zu erkennen. Dazu reichen die aristotelischen Anfangsgründe vollkommen aus. In der formalen Physik gibt es nämlich neben Basisgrößen und abgeleiteten Größen keine weiteren Typen von Größen. Diese beiden Kategorien stellen klare logische Gegensätze dar.

  Die Masse und die Kraft erhalten nun aber in der Trägheitsphysik entgegen den Prinzipien der Logik durch ihre Doppeldefinition im klassisch genannten Beschreibungssystem zugleich die Funktion einer Basisgröße als auch die einer abgeleiteten Größe. Und dies darf nicht sein, denn es widerspricht geradezu lehrbuchhaft allen logischen Grundsätzen.

Gegen den Satz der Identität verstößt das Resultat dieses Verfahrens der Doppeldefinition, weil dadurch weder Masse noch Kraft eindeutig einer der Kategorien von Größen zuzuordnen ist, und gegen den Satz vom Widerspruch, weil sie zugleich eines dieser beiden Merkmale als auch das entgegengesetzte tragen. Schließlich wird auch der Satz vom ausgeschlossenen Dritten verletzt, denn zu allem Überfluss vereinigen diese beiden Größen auch beide gegensätzlichen Eigenschaften zugleich in sich. Mehr Verstöße gegen die Prinzipien der aristotelischen Logik kann man durch eine einzige Behauptung schlechterdings nicht begehen.

Ich habe oft genug versucht, einen Vergleich zu finden, damit ich sagen kann: „Das mit der Doppeldefinition von Masse und Kraft  ist ist genauso, als wenn man ...“ - Aber ich finde nichts Vergleichbares. Newtons Doppeldefinition ist beispiellos ... eben ein einzigartiger Unsinn. Bei dieser Doppeldefinition handelt es sich abwertend formuliert um nichts anderes als einen mathematischen Taschenspielertrick, oder aber sogar um eine hermetische Beschwörung. Aber wie immer man sie kommentieren will – selbst wenn es massive Hinweise auf eine träge Masse gäbe, die an reale Ereignisse gebunden sind, dürfte eine derartige Doppeldefinition in einem wissenschaftlichen Beschreibungssystem keine Anwendung finden.

Dieselbe Argumentation gilt gleichermaßen auch für die ursprünglichere Doppeldefinition von Masse und Dichte.

Letztlich bedarf es nur dieses einzigen Faktums der Doppeldefinition von Masse und Dichte als einer irrationalen Setzung, um die Trägheitsphysik aus erkenntnistheoretischen Gründen abzulehnen. Eine Doppeldefinition als Basis und Ausgangspunkt für eine Naturwissenschaft ist schlicht nicht hinnehmbar.


3. Ist die träge Masse überhaupt metrisierbar?

 

So, wie Newton die träge Masse zu metrisieren versuchte, ist es ein wissenschaftlicher Nonsens. Da keimt der Verdacht, dass er es einfach deshalb nicht geschafft hat, weil es aus erkenntnistheoretischen Gründen gar nicht gelingen kann, denn Newton war ja irgendwie wohl ein kluger Mann.

Wir machen es kurz. Ich habe zwei stichhaltige Argumente, dass dies tatsächlich nicht möglich ist.

Das erste Argument:

Newton charakterisiert die Masse in seiner Doppeldefinition als unabhängig vorgegebene Größe, also als Basisgröße und als solche ist sie in das Größensystem der Physik aufgenommen worden. Deshalb haben wir zu klären, ob so etwas wie die träge Masse als „quantitas materiae“ überhaupt das Zeug zu einer physikalischen Basisgröße haben kann.

In der Praxis erweist es sich als recht vertrackt, eine Basisgröße wissenschaftlich zufriedenstellend zu definieren, also ihre Einheit festzulegen. Auch im SI-System hat man stets Verbesserungen angestrebt, da ist nichts für die Ewigkeit.

Einfach aus dem Grunde, weil es anschaulicher ist, werden wir auf die ältere Definition des Meters zurückgreifen, das Urmeter, einem Etalong aus einer Platin-Iridium-Legierung.

Die träge Masse existiert so vor sich hin, ohne auf irgend etwas außerhalb ihres physikalischen Daseins einzuwirken oder von außen beeinflusst zu werden, und deshalb ist ihr eindeutig das übergeordnete Kennzeichen der Selbstbezüglichkeit zuzuordnen.

Wenn die träge Masse aber als selbstbezügliche Größe zugleich eine Basisgröße sein soll, dann heißt dies, dass sie genau wie die anderen Basisgrößen der Mechanik, nämlich der Weg (s) und die Zeit (t), ohne jeglichen Rückgriff auf andere Größen durch Abzählen von Maßeinheiten oder durch Anlegen bzw. Anhäufen eines Etalongs am oder im Körper selbst bestimmt werden muss.

Eine andere Möglichkeit der Metrisierung für eine selbstbezügliche Basisgröße in der Mechanik gibt es nicht.

Man hat das Kilogramm (kg) als internationale Einheit für die Masse festgelegt. Nun kann man ja versuchen, die träge Masse irgendeines Probekörpers zu bestimmen, indem man nichts anderes verwendet als Gewichtsstücke, also auch kein Hilfsmittel wie zum Beispiel eine Waage. Da kann man mit den Gewichten anstellen, was immer einem einfällt: Anlegen, Anhäufen, Drehen oder Wenden, nichts führt zum beabsichtigten Ziel. Die träge Masse des Probekörpers wird uns auf diese Weise für immer verborgen bleiben.

Und dies ist bereits das zweite Argument:

Selbst wenn es die technische Möglichkeit dazu gäbe, die Elementarkörper der Materie abzuzählen und man ein Etalong hätte, das nur deren Abzählbarkeit erforderte, dann könnte eine Bestimmung der trägen Masse nicht gelingen, weil dies voraussetzen würde, dass Körperlichkeit streng proportional der trägen Masse ist. Es existiert aber keine Sicherheit darüber, dass alle räumlich identischen Elementarbausteine dieselbe Masse besitzen. Ohne Sicherheit in den Methoden aber gibt es keine Wissenschaft.

Und jetzt? Jetzt stehen wir ganz ratlos herum, denn die Trägheitsphysiker sehen ja in der Metrisierung der trägen Masse keine Schwierigkeit. Können die etwa irgend etwas, was wir nicht können?

Überprüfen wir das!

Also, die Sache mit der Waage scheidet als wissenschaftliche einwandfreie Bestimmung der trägen Masse aus. Damit kann man ja wirklich nur die Gleichheit der Gewichtskraft von Gewicht und Prüfmenge feststellen und die träge Masse nur indirekt daraus erschließen.

In der klassischen Physik wird die träge Masse eines zu prüfenden Körpers z. B. auf dem Labortisch mit Hilfe des Impulses bestimmt. Weil für den Gesamtimpuls eines Systems ein Erhaltungssatz gilt, kann man nach einem elastischen Stoß einer unbekannten Masse mit einem Körper bekannter Masse und bekannter Geschwindigkeit dessen Masse bestimmen, indem man die resultierenden Geschwindigkeiten beider Körper bestimmt. Zur Ermittlung der Geschwindigkeiten benötigt man selbstverständlich Uhren und Maßstäbe.

Noch mal für alle, die es nicht glauben wollen: In der Trägheitsphysik ermittelt man die träge Masse, die als selbstbezügliche Basisgröße definiert ist und die man deshalb einzig und allein durch ein Etalong der Masse bestimmen können sollte, unter zusätzlichem Einsatz von Maßstäben und Uhren.

Eine angeblich selbstbezügliche physikalische Größe wie die träge Masse, deren quantitative Bestimmung ohne einen Rückgriff auf bereits metrisierte, andere Größen nicht möglich ist, kann ihrem Wesen nach nun mal nicht als selbstbezügliche Basisgröße betrachtet werden, auch wenn sie formal als solche definiert ist. Ganz gewiss bestimmt man bei so einer Versuchsanordnung ein sehr bedeutungsvolles physikalisches Merkmal der Materie.

Ebenso gewiss ist aber, dass es sich dabei nicht um die träge Masse handelt, denn eine Basisgröße, die sich nicht wie eine Basigröße metrisieren lässt, ist keine Basisgröße. Wer so etwas trotzdem behauptet, der betreibt keine Wissenschaft, sondern er verbreitet Wissenschaftshorror. Die Entfremdung der Menschen, die darauf mit Rückzug aus der Physik reagieren, zeigt leider, dass dies nicht erfolglos geblieben ist.


4. Wo kann man Trägheit beobachten?

 

 Die Antwort ist hier ganz einfach zu geben: Unser Universum lässt ein träges Verhalten eines materiellen Körpers nicht zu. Wenn die träge Masse keine metrisierbare physikalische Größe sein kann, dann muss die damit gekoppelte Trägheit ein naturwissenschaftlicher Irrtum sein.

Ich habe an anderer Stelle einige der Schulbeispiele für angeblich träges Verhalten beschrieben und deutlich gemacht, dass es sich stets um interaktive, energetische Merkmale handelt. Gern können wir nach dem Vortrag auf solche Fälle zurückkommen.

Aber da taucht die Frage auf, wieso wir alle an diese angebliche Trägheit glauben sollen.

Die Impetustheoretiker im 14. Jahrhundert konnten mit der aristotelischen Auffassung zu den Ursachen von Ortsveränderungen nichts mehr anfangen und verwarfen sie schließlich. Dadurch, dass sie die Bewegung in der Folge als ein eigenständiges Phänomen auffassten, das von einem natürlichen Ziel unabhängig ist, ergab sich die Möglichkeit, die Eigenschaften dieses Vorgangs genauer zu durchdenken. Die Bewegungsvorgänge leiteten sie allerdings nicht aus Beobachtungen oder Experimenten ab, sondern in platonischer Tradition allein und ausschließlich aus Überlegungen.

Bei der quantitativen Angabe einer Geschwindigkeit werden Größenwerte auf Zahlengeraden abgebildet. Dies hat zur Folge, dass die Geschwindigkeit mathematisch nur als ein Verhältnis „geradliniger“ Werte auftreten kann. Die genaue mathematische Erfassung machte es zudem notwendig, diese primäre Qualität der Bewegung auch in ihrem Verlauf als eine geradlinige Translation zu beschreiben. Denknotwendig wurde sie des weiteren noch als eine Bewegung mit konstantem Geschwindigkeitsbetrag charakterisiert.

Eigentlich war es das Ziel dieser Überlegungen, die früheren vitalistischen Vorstellungen zur Bewegung zu überwinden und eine wissenschaftliche Beschreibung an die Stelle zu setzen. Leider wurden sie aber nur durch ein ebenso fragwürdiges Konzept ersetzt, in dem Bewegungsvorgängen ein Beharrungsvermögen zugeordnet wird, für das sich ein kausaler Mechanismus grundsätzlich nicht angeben lässt. Da diese Beschreibung von Geschwindigkeit keinen abhängigen Bezug zulässt, führt dies auch notwendigerweise zu einer Betrachtung isoliert gedachter, physikalischer Ereignisse. Für den platonischen Häretiker war es nämlich keine Frage, dass diese Bewegungsform in der Natur auch tatsächlich vorkommt.

An den mathematischen Grundsätzen kann man sich nicht stoßen. Richtiger kann man es unter den gegebenen Randbedingungen nicht machen. Um so kritikwürdiger ist jedoch die hermetische Übertragung dieser mathematischen Gegebenheiten auf das reale Geschehen, denn die klassische Kinematik wurde von diesem Ansatz her als eine Trägheitsphysik festgeschrieben. Und sie ist es leider bis heute geblieben. Da fragt man sich wirklich, was mit dieser quantitativen Erfassung der Geschwindigkeit gewonnen wurde. Ein verbessertes Verständnis  tatsächlicher Bewegungsabläufe ganz gewiss nicht.

Durch das Trägheitsmerkmal des konstanten Geschwindigkeitsbetrags hatte man sich auch festgelegt, die Beschleunigung als eine sekundäre Größe von Bewegungsvorgängen zu beschreiben, durch die eine Geschwindigkeit nur überformt wird, und zwar so, dass dabei ihre wesentlichen Charakteristika nicht verloren gehen.

Kein Wunder also, dass für einen Trägheitsphysiker die geradlinige Translation eines materiellen Körpers mit konstantem Geschwindigkeitsbetrag als eine physikalische Realität in Erscheinung tritt, wenn die sekundär aufgesetzte Beschleunigung unterbunden wird.

Das Tollste daran ist, es funktioniert zwar nicht in der Realität, dass die Beschleunigung durch materielle Körper tatsächlich unterbleibt, aber immer gerade dann, wenn ein Physiker es sich für eine Berechnung  vorstellt.

Das klassische Verfahren verlangt nämlich, dass Geschwindigkeit und Richtung eines Körpers für einen kleinen Zeitabschnitt als konstant angenommen wird und vektoriell nach dem Unabhängigkeitsprinzip mit der aus der Beschleunigung resultierenden Geschwindigkeit addiert wird.

Formal wird dabei die Beschleunigung zunächst eliminiert und der Körper seinem angeblichen Trägheitsverhalten überlassen. Zugleich aber lässt man die Beschleunigung auf diese konstante, geradlinige Translation einwirken und konstruiert oder berechnet die daraus resultierende Größe. Auf diese Weise erhält man für die Bahn ein Polygon, ein Vieleck. Dies ist grundsätzlich nicht anders, wenn man die Analysis bemüht, die lediglich winzige, „zu Null hinschwindende“ Zeitintervalle betrachtet und dadurch genauere Ergebnisse erhält. Betrachtet man auch dieses Verfahren als einen in Bezug auf die Phänomene unvollkommenen mathematischen Algorithmus, dann gibt es keinerlei Verständnisprobleme. Die treten aber sofort auf, wenn man die platonische Auffassung vertritt, dass das mathematische Verfahren die ideale Urform des Ereignisses darstellt.

Nach platonischer Auffassung muss nämlich die wirkliche, von Zufälligkeiten bereinigte Bahn der idealen mathematischen Form entsprechen, in der es keine geradlinigen Abschnitte gibt, sondern bei der für jeden Teil der Kurve eine Krümmung vorliegt, die in gesetzmäßiger Weise vom Radius abhängig ist. Deshalb sollte eigentlich auch bei diesem Algorithmus eine gekrümmte Kurve resultieren und kein Polygon.

Dieser Widerspruch zwischen der ideal gekrümmten, wirklichen Bahn und ihrer geradlinigen Beschreibung hätte dazu führen können, die Methode der Häretik bei der mathematischen Beschreibung der physikalischen Phänomene in Frage zu stellen. Dann wäre es vielleicht gelungen, die Unterschiede zwischen dem physikalischen Ereignis und dem mathematischen Algorithmus deutlich herauszuarbeiten. Man muss zugestehen, unsere Vorfahren haben es sich nicht leicht gemacht. Physiker, Mathematiker und Theologen haben Jahrzehnte lang um eine Lösung dieses Problems gerungen. Leider war der Einfluss hermetischer Vorstellungen einfach übermächtig, denn man entschied sich letztlich dazu, das kinematische Trägheitsverhalten der geradlinigen Translation zu bewahren.

In der Analysis sah man sich deshalb genötigt, in infinitesimalen Bereichen ein Hinschwinden der konkreten Vorgaben von Kurve und Geraden zu einer Nichtunterscheidbarkeit zu postulieren. Das ist nichts anderes als hermetische Trägheitsmathematik, in der sich Physik und Mathematik gegenseitig in ihren Auffassungen stützen.

Zugleich damit wurde die christliche Trinitätslehre, die offenbar nicht nur ein Problem für Newton war, auf die Wissenschaft übertragen. Seitdem müssen wir nämlich an eine unwissenschaftliche, mysteriöse Dreieinigkeit von Tangente, resultierender Geraden und mathematisch vorgegebener Krümmung glauben. Eine Begründung für diese Auffassung kann von der Mathematik nicht vorgelegt werden, denn dann müsste sie präzise beantworten können, wie lang ein „hinschwindend“ kleines Stück einer Kurve bei gegebenem Krümmungsradius sein darf, damit es von einer Geraden nicht mehr unterschieden werden kann. Und sie müsste logisch darlegen können, welche Kriterien für diese Beurteilung notwendigerweise anzuwenden sind.

Das eben kann die Mathematik neben vielen anderen Dingen auch nicht.

Newton begann seine Erörterung in den Prinzipia mit Definitionen physikalischer Größen und der Auflistung von Axiomen. Die begrifflichen Klarstellungen zu den Größen waren notwendig, denn nur so war eine eindeutige und nachvollziehbare Beschreibung gesichert.

Außerordentlich ungewöhnlich ist es jedoch, dass an den Anfang einer naturwissenschaftlichen Arbeit Axiome gestellt wurden. Axiomatische Aussagen vom Range einer Theorie können niemals der Ausgangspunkt, sondern immer nur das Ergebnis naturwissenschaftlicher Bemühungen sein – und da wiederum nur bei den erfolgreichen. Die Aufstellung von Axiomen und deren logisch widerspruchsfreie Ableitungen zu gültigen Aussagen, ist die Methode der Geisteswissenschaft, insbesondere der Mathematik. Eine Naturwissenschaft kann auf diese Weise nicht begründet werden. Man darf bei der naturwissenschaftlichen Arbeit unbewiesene Vermutungen darlegen und Prämissen vorgeben, aber keinesfalls Axiome voranstellen. Axiome haben dort nichts zu suchen, weil es sie in der Natur nicht gibt. Wer etwas anderes behauptet, denkt dabei vielleicht an den Ist-Bestand in den Wissenschaften, der aber nur durch Newtons Setzungen zu begründen ist..

Da Newton sich jedoch genötigt sah, diese Aussagen seiner Beschreibung der Trägheitsdynamik voranzustellen, sehen wir uns genötigt zu folgern, dass es sich dabei entweder überhaupt nicht um naturwissenschaftliche Aussagen handelt, oder aber um solche physikalischen Zusammenhänge, die er aus einzelnen Beobachtungen nicht zu verallgemeinern vermochte.

Die Expression des 1. Axioms Newtons ist nur in einem Universum möglich, das vollkommen materiefrei und damit gravitationsfrei ist – selbstverständlich mit Ausnahme des beobachteten Probekörpers. Das ist in der Realität nicht zu machen, aber man kann es sich immerhin denken und berechnen – nur taugt eine solche ausgedachte Situation nicht dazu, auf tatsächliche Vorgänge übertragen zu werden.

Ob sich ein Körper in so einem gedanklich konstruierten, „kräftefreien Raum“ fortbewegt oder aber nicht, lässt sich nämlich physikalisch überhaupt nicht feststellen, weil für eine derartige Beurteilung  kein Bezugspunkt vorliegt. Fortbewegung und Ruhe sind in diesem fiktiven Raum ununterscheidbar und deshalb physikalisch vollkommen irrelevante Begriffe. Ein derart isolierter materieller Körper ist nämlich nicht einfach allein im Universum, er ist das Universum.

Zur Verdeutlichung dieser Sachlage kann man sich ja einen Experimentator als Geistwesen vorstellen, ausgestattet mit einer imaginären Uhr und einem nur gedachten Metermaßstab. Wo bitte soll der Wissenschaftler den Maßstab ansetzen und wann seine Uhr ablesen? Selbst einem solchen engelsgleichen Wesen ist es nicht vergönnt, einen Translationszustand auszumachen und zu bestimmen.

Und wie ist es mit einem Koordinatensystem? Kein Problem. Der kräftefreie Raum besitzt ein derartiges System nicht – und dem Experimentator geben wir einfach keines mit. Es hätte ja auch gar keinen Sinn.

    Die am häufigsten formulierte Kritik zum 1. Axiom Newtons lief auf die Feststellung hinaus: „Es ist unklar, worauf sich die geradlinige Ausbreitungsrichtung des trägen Körpers beziehen soll.“ Diese immer wieder gestellte Frage nach einem Bezugssystem für eine geradlinige Translation mit konstantem Geschwindigkeitsbetrag ist sinnlos, denn darauf kann es keine Antwort geben, weil das 1. Axiom unter keinem Aspekt ein physikalisch reales Geschehen beschreibt.
Trotzdem, so kann man einwenden, wenden wir dieses Axiom doch mit enormem Erfolg an.
Das ist wohl wahr. Aber wir benötigen es nicht für die Charakterisierung der Phänomene. Dazu ist es  ist es vollkommen ungeeignet. Es handelt sich dabei um nichts anderes als die Formulierung eines mathematischen Algorithmus, den Newton der realen Welt in geradezu vorbildlich hermetischer Weise übergestülpt hat.


5. Masse oder Kraft, das ist hier die Frage

Die Frage nach dem Beweggrund einer Translation muss erneut gestellt werden. Die Antwort ist: Den Anlass von Bewegungsvorgängen kann man ursächlich nur in einer gegenseitigen Abhängigkeit materieller Merkmale beschreiben.

Wie aber können wir an die Stelle der Trägheitsvorstellungen ein Beschreibungssystem setzen, das zu Recht wissenschaftlich genannt werden darf?

Diese Frage ist ganz einfach zu beantworten, denn dies ist für die naturwissenschaftliche Arbeit allgemein und ganz klar vorgegeben: Wir müssen uns dazu an Messergebnissen orientieren und nicht an religiösen Vorstellungen und hermetischen Korrespondenzen.

Für unsere spezielle Problemstellung kommt hinzu, dass wir nur solche Ergebnisse verwenden dürfen, die das dynamische Geschehen der Mechanik zwar darstellen, dabei aber die in der Trägheitsphysik definierten Größen der Masse und der Kraft nicht verwenden, weil sie die Ereignisse ganz offensichtlich nicht richtig interpretieren können.

Wir brauchen dazu nicht einmal neue Messdaten zu ermitteln.

Die gibt es nämlich seit langer Zeit.

Johannes Kepler hat sie uns geschenkt.

Weil in den Keplerschen Gesetzen weder die Kraft (F) noch die Masse (m) vorkommt, werden sie in der heutigen Physik als kinematische Beschreibungen aufgefasst. Um kinematische Aussagen handelt es sich allerdings nur unter dem Blickwinkel des Trägheitsdiktates, und undynamisch sind sie nur, wenn man die Argumente der Trägheitsphysik darauf anwendet. Den  Keplerschen Gesetzen fehlt zwar die Größe der Beschleunigung, trotzdem beschreiben sie die Ereignisse nach heutigem Sprachgebrauch als energetisches Geschehen. Und weil dies so ist, müssen sie als dynamisch charakterisiert werden.

Den dynamischen Charakter der Aussagen hat Newton ganz gewiss gesehen. Newton hat also bestimmt auch registriert, dass Kepler für seine Beschreibung der dynamischen Verhältnisse im Sonnensystem die Größe der trägen Masse nicht benötigte. Zudem hat er die anziehende Kraft, die zwischen materiellen Körpern wirkt, zu seiner Zeit wohl am deutlichsten erkannt, und es wäre ihm ein Leichtes gewesen, sie aus Keplers Vorgaben abzuleiten, wenn er sich nicht auf die träge Masse und ihr Verhalten fixiert hätte. Entsprechend seinem fragwürdigen Konzept, dass diese Kraft gemeinsam durch die Masse (m) und die Beschleunigung (a) beschrieben werden müsse, extrahierte er die materielle Kraft nicht aus Keplers 3. Gesetz, sondern fügte diesem die Masse (m) hinzu.

Seitdem stehen Keplers Ergebnisse für die Trägheitsphysiker wie eine unfertige historische Reminiszenz da, nur geeignet, für Newton als Anstoß zur Erstellung des reziprok quadratischen Gesetzes zu taugen.

In Wirklichkeit nämlich gibt es seit der Formulierung des Gravitationsgesetzes durch Newton zwei grundsätzlich verschiedene dynamische Beschreibungssysteme für die Mechanik, und zwar auf der einen Seite ein massefreies Keplersystem und andererseits darüber hinaus ein zusätzliches und nicht notwendiges Trägheitssystem, das masseabhängig ist.

Pierre Duhem stellte 1908 nach ausführlicher Analyse fest: „Wenn die Theorie von Newton richtig ist, dann sind die Keplerschen Gesetze falsch.“

Man beachte die Ironie in dieser Aussage!

Auch Duhem betrachtete leider die Keplerschen Gesetze als rein kinematische Aussagen und konnte deshalb auch keinen Lösungsvorschlag für dieses wissenschaftliche Dilemma unterbreiten.

Versäumte Gelegenheiten sind ja zum Glück nur aufgeschoben und nicht aufgehoben.

Fangen wir also dort wieder an, wo Kepler aufgehört hat!

Keplers 3. Gesetz lautet:

T²/r³ = c.

(„T“ steht für die Umlaufzeit und „r“ für den Abstand der großen Radien von der Sonne. „c“ ist eine Konstante für das gesamte System, also ein Zahlenwert, der sich aus den konkreten Berechnungen für die einzelnen Planeten mit stets demselben Wert ergibt.)

Die Umlaufzeit T kann nun mathematisch in einfacher Weise durch die Bahngeschwindigkeit „v“, den Abstand „r“ und die Zahl π ausgedrückt werden:

T = 2 π r / v.

Setzt man diesen Ausdruck für T in das 3. Keplersche Gesetz ein und ordnet die Größen so um, dass alle Konstanten links vom Gleichheitszeichen stehen, dann erhält man

4 π² / c = v² · r.

In mathematischen Gleichungen fasst man mehrere Konstanten gern zu einer einzigen zusammen, denn das vereinfacht die Form und die Lesbarkeit der Gleichung. Setzen wir also für den Ausdruck 4 π² /c die neue Konstante „k“, dann folgt daraus

k = v² ·r bzw. v² = k / r.

Der Holländer Christiaan Huygens fand für die Geschwindigkeit des Bahnkörpers den einfachen Zusammenhang

v² = r · a ,

wobei „a“ für die Beschleunigung steht, der ein Körper in Richtung auf das Zentrum der Bewegung ausgesetzt ist. Huygens wurde im Jahre 1629 geboren. Ganz anders als Newton, der mit Huygens in wissenschaftlichem Kontakt stand, konnte Kepler also von diesem physikalischen Gesetz noch keine Kenntnis haben.

Eben dieser mathematische Zusammenhang ist für die dynamische Beschreibung der Planetenbewegungen von enormer Bedeutung, denn kombiniert man die beiden letzten Gleichungen und löst nach „a“ auf, so resultiert

a = k / r² .

Es ist gestattet, hier ganz tief Luft zu holen.

Damit ist nämlich das reziprok quadratische Gesetz aus den Kenntnissen zur Umlaufzeit, der Bahngeschwindigkeit und der Anwendung des 3. Gesetzes Keplers bereits vollständig hergeleitet. Es sagt aus, dass ein Körper, der sich auf einer Bahn um einen Zentralkörper bewegt, einer Beschleunigung ausgesetzt ist, die dem Quadrat seines Abstandes vom Zentralkörper umgekehrt proportional ist. In diesem reziprok quadratischen Gesetz ist „k“ ein Proportionalitätsfaktor, der ein konstantes Merkmal des Zentralkörpers beschreibt. Da dieses die Beschleunigung und den Abstand des Bahnkörpers in gesetzmäßiger Weise miteinander verknüpft, sieht man sich genötigt, ihm eine eigene physikalische Realität zuzusprechen.

Formal ist dieses Merkmal dadurch gekennzeichnet, dass es nur durch das von ihm abhängige Verhalten des Bahnkörpers erfahrbar und deshalb als rückbezügliches Merkmal charakterisiert werden muss. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass es als abgeleitete Größe letztlich durch die Basisgrößen des Weges und der Zeit beschrieben wird, genauso wie die in diesem Gesetz vorkommenden Größen „a“ und „r“.

Inhaltlich ergibt sich die Notwendigkeit, diesem Merkmal des Zentralkörpers einen dynamischen Charakter zuzuordnen, weil dadurch nichts anderes als die Ursache der Be- schleunigung für die Bahnkörper charakterisiert wird.

Wir bezeichnen diese Größe „k“ deshalb als Kraft, und weil diese Kraft von materiellen Körpern ausgeübt wird, nennen wir sie genauer materielle Kraft und kürzen sie durch das Symbol „m“ ab:

a = m / r².

Hiermit wurde die Größe der trägen Masse durch die dynamische Größe der materiellen Kraft ersetzt. Durch die Wahl der Abkürzung „m“ für die materielle Kraft behalten nämlich die Gleichungen der klassischen Physik zwar ihre äußere Form, nicht jedoch ihre Bedeutung, denn eine Masse kommt darin nicht mehr vor. Die träge Masse verschwindet damit aus der wissenschaftlichen Betrachtung.

Das, was in einem korrekten Weg-Zeit-System aus den Keplerschen Gesetzen und der Kenntnis über die Bahngeschwindigkeit in einfacher Weise und ganz zwanglos als materielle Kraft resultiert, hatte Newton fälschlicherweise als Masse deklariert. Newton hatte diese Größe auf vollkommen unwissenschaftlichen Wegen zusätzlich in das Beschreibungssystem hineingebracht und damit für eine ungeheuerliche Begriffsverwirrung gesorgt.

Die formale Übereinstimmung der newtonschen Physik mit der keplerschen Physik erklärt, warum sich die Trägheitsphysik trotz all ihrer Mängel und Widersprüche über mehr als drei Jahrhunderte hinweg behaupten konnte. Wie ein Trittbrettfahrer hat sie sich nämlich der im Kern richtigen physikalischen Gesetze bedient, dabei aber leider abscheuliche Fehlinterpretationen der physikalischen Wirklichkeiten in Umlauf gesetzt.

Das reziprok quadratische Gesetz zeigt, dass die materielle Kraft eines Körpers (m) bestimmt ist durch das Produkt aus der Beschleunigung, der ein Probekörper in einem definierten Abstand durch diesen Körper ausgesetzt ist und dem Quadrat dieses Abstandes. Nach den Vorgaben der IUPAC folgt daraus die Definition:

[m] = 1 m³ / s².

Übt also ein Körper auf einen Probekörper im Abstand von 1 m die Beschleunigung von 1 m / s² aus, so besitzt er die aktive materielle Kraft von 1 m³ / s².

Mehr Angaben zur metrischen Beschreibung einer Kraft braucht kein Mensch.

Die materielle Kraft als Ursache einer Beschleunigung kann auch als „aktives Beschleunigungsvermögen“ eines materiellen Körpers beschrieben werden, das sich auf einen anderen materiellen Körper auswirkt. Diese Formulierung macht deutlich, dass man den Körpern auch ein „passives Beschleunigungsvermögen“ zusprechen muss, weil sie andernfalls auf die beschleunigende Kraft eines anderen Körpers gar nicht ansprechen könnten. Diese Fähigkeit, beschleunigt werden zu können, ist für eine philosophische Überprüfung sehr wichtig, physikalisch allerdings nicht weiter von Belang, weil sie sich nicht graduell fassen lässt und nicht quantifizierbar ist.

Aber ein anderer Gesichtspunkt ist dafür von um so größerer Bedeutung. Da jeder materielle Körper sowohl ein aktives als auch ein passives Beschleunigungsvermögen besitzt, ist die materielle Kraft ein Merkmal, das nur in einer gegenseitigen Rückbezüglichkeit beschrieben werden kann. Und dieses voneinander abhängige Verhalten ist nur deshalb als kausales Geschehen erkennbar, weil die Körper während der Ausübung ihrer eigenen Kraft selbst vollkommen unbeeinflusst davon bleiben. Durch die eigene beschleunigende Kraft sind die Körper keiner Beschleunigung ausgesetzt und ändern nicht ihren Ort bezüglich eines angelegten Koordinatensystems. Es erweist sich deshalb als notwendig, jedem materiellen Körper zur aktiven, beschleunigenden Kraft eine konkurrierende passive, beschleunigungshemmende Kraft zuzuordnen, die kompensatorisch die aktive Kraft auf sich selbst bezogen gerade aufhebt.

Man muss also die materielle Kraft differenzieren. Das aktive dynamische Merkmal materieller Körper kennzeichnen wir deshalb als aktive materielle Kraft (ma), die ihr proportionale passive Eigenschaft als passive materielle Kraft (mp).

Kann man denn diese passive materielle Kraft dann nicht einfach einer “quantitas materiae“ gleichsetzen, um auf diese Weise den gewohnten Umgang mit Stoffmengen zu retten?

Nein, das darf man nicht.

Anders als die Vorstellung der trägen Masse als Materialmenge ist die passive materielle Kraft (mp) eine Größe, die keine Selbstbezüglichkeit aufweist, sondern die in rückbezüglicher Form indirekt durch ihre dynamischen Auswirkungen definiert ist. Wollte man die materielle Kraft (mp) einer „quantitas materiae“ gleichsetzen, dann würde man voraussetzen, dass die definierte beschleunigende Kraft sich streng proportional zur Materiemenge verhält.

Dafür kann es aber grundsätzlich keine Sicherheit geben.


6. Konsequenzen

In der Physik gibt es Konstanten als Proportionalitätsfaktoren zwischen physikalischen Größen, denen man den Charakter einer Eigenständigkeit nicht zubilligen kann. Solche Konstanten werden dann als „Naturkonstanten“ bezeichnet und darüber hinaus wird ihnen gern eine geheimnisvolle Existenz in der Natur zugesprochen, die der Physiker durch das entsprechende Gesetz zwar nicht offen gelegt, so aber doch für alle Augen sichtbar gemacht hat.

Dies gilt auch für die Gravitationskonstante (γ), die im Gravitationsgesetz der Trägheitsphysik vorkommt.

Die rational aus dem 3. Keplerschen Gesetz abgeleitete materielle Kraft (m) und ihre metrische Definition lassen diese Konstante einfach verschwinden.

Sie existiert nicht in der Natur und deshalb taucht sie auch im keplerschen Gravitationsgesetz nicht mehr auf.

Selbstverständlich kann das Produkt aus „m“ und „a“ - also in neuer Formulierung aus „materieller Kraft“ und „Beschleunigung“ - nicht mehr die frühere Bedeutung einer Kraft besitzen. Wir wollen deshalb wenigstens kurz auf einige weitere Änderungen hinweisen, die sich durch die Definition der materiellen Kraft ergeben, und Vorschläge unterbreiten, wie die Inhalte der dynamischen Größen in der Mechanik nun zu interpretieren sind.

Vielleicht fällt einem von Ihnen ja noch etwas Besseres dazu ein.

Wenn man sich entschieden hat, Weg (s), Zeit (t), Geschwindigkeit (v) und Beschleunigung (a) in einem wissenschaftlichen Beschreibungssystem zu verwenden, dann ergibt sich bei dynamischer Betrachtung der Phänomene die Definition der keplerschen materiellen Kraft notwendigerweise aus diesen Vorgaben. Sie folgt jedoch nicht aus der mathematischen Weiterführung der Kette kinematischer Größen „Weg → Geschwindigkeit → Beschleunigung“, sondern sie ist ein ganz spezielles Ergebnis ihrer Anwendung.

Qualitativ ist die materielle Kraft deshalb auch etwas vollkommen anderes als es die grundlegenden kinematischen Größen sind. Sie ist ein dynamisches Argument, das sowohl für sich allein eine physikalische Bedeutung aufweist, als auch gemeinsam mit den kinematischen Größen physikalische Ereignisse beschreiben kann.

Die materielle Kraft  legt die Metrik des Raumes fest, und zwar insofern, als Angaben über Abstände, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen von Körpern im einfachsten Fall nur im Zwei-Körper-System dynamisch sinnvoll sind. Die Konsequenz dieser Tatsache ist, dass einem isoliert gedachten materiellen Körper eine materielle Kraft keinesfalls so zugeordnet werden kann, dass eine physikalisch relevante Aussage entsteht. Diese Abhängigkeit muss selbst bei den kinematischen Beschreibungen von materiellen Körpern berücksichtigt werden, denn letztlich ist es nur dann möglich, dem „Weg“, der „Geschwindigkeit“ und der „Beschleunigung“ eines materiellen Körpers eine angemessene physikalische Bedeutung zuzuordnen, wenn im keplerschen Sinne ein Bezug zu „seinem Zentralkörper“ hergestellt wird.

Die kinematische Charakterisierung eines Ereignisses auf der Erdoberfläche hat physikalisch also so zu erfolgen, wie es tatsächlich abläuft, nämlich als Geschehen auf einer idealisierten Kugeloberfläche, einer Äquipotentialebene.

Die sogenannten Inertialsysteme, bei denen die Körper ihrem angeblichen Trägheitsverhalten überlassen werden, mögen bei konkreten technischen Fragestellungen und Berechnungen weiterhin ausgesprochen hilfreich sein, für eine grundlegende wissenschaftliche Physik sind sie jedoch vollkommen irrelevant.

Diese knappen Bemerkungen lassen bereits deutlich werden, dass die Trägheitsphysik letztlich das tragische Ergebnis eines mathematisierenden Platonismus war, wobei Newton in einer  Reihe von Propagandisten das letzte und ausführende Glied war.

In Bezug auf die materielle Kraft kann eindeutig abgeleitet werden, dass in dem Produkt von Kraft und Beschleunigung (m · a) von der passiven materiellen Kraft (mp) die Rede ist. Es versteht sich aber eigentlich auch von selbst. Dieser Ausdruck beschreibt deshalb die Beschleunigung, der ein Körper mit einer definierten passiven materiellen Kraft durch den Körper, der ihn dynamisch beeinflusst, ausgesetzt ist.

Konkret wird damit für das Leben der Menschen beschrieben, welcher Beschleunigung die Körper auf der Erdoberfläche ausgesetzt sind. Körper mit einer unterschiedlich großen passiven Kraft (mp) erfahren durch die Anziehungskraft der Erde dieselbe Beschleunigung, und deshalb drängt sich für diese Auswirkung der aktiven Kraft, die sich erfahrbar in einer unterschiedlichen „Wucht“ der verschiedenen passiven Kräfte ausdrückt, geradezu der Begriff der Leistung (L) auf: L = m · a. Es spricht nichts dagegen, diese Leistung bei Bestimmungen von Materialmengen anschaulich durch diese „Wucht“ auszudrücken und dafür sogar den überlieferten Ausdruck des „Gewichts“ zu verwenden. Streng physikalisch handelt es sich bei dieser Größe allerdings um eine interaktive Beschreibung des Gesamtsystems. Sie charakterisiert für einen Körper unmittelbar die Präsenz einer aktiven materiellen Kraft, die in seiner Beschleunigung zum Ausdruck kommt.

In klassischer Vorstellung wird „Leistung“ richtigerweise als diejenige Energie aufgefasst, die pro Zeiteinheit erbracht wird. Dementsprechend ist auch hier eine Leistung, die über eine bestimmte Zeit hinweg wirkt, als Energie (E) zu charakterisieren: E = m · v. Formal ist sie das Produkt aus materieller Kraft und Geschwindigkeit. Die Energie stellt die „Leistungsdauer“ dar, die sich in der Ausprägung einer bestimmten Geschwindigkeit realisiert. Die Energie wächst dabei wegen des mathematischen Zusammenhanges v = a · t streng proportional zur Einwirkungszeit.

Genau wie die Leistung kennzeichnet auch die Energie den Bewegungszustand eines Körpers nur in Bezug auf eine aktive materielle Kraft. Deshalb ist die Angabe des Ener-   gieinhalts eines isoliert gedachten Körpers, der sich lediglich im Vergleich zu einem unter- gelegten Koordinatensystem fortbewegt, physikalisch ohne irgendeine Bedeutung.

Fast ein Schattendasein fristete in der Trägheitsphysik die Größe der Wirkung, die in der Ausbildung kaum häufiger Erwähnung findet, als in der Erläuterung des Planckschen Wirkungsquantums. Man versteht unter der Wirkung die Größe, die sich daraus ergibt, dass eine definierte Energie eine bestimmte Zeit lang wirkt, also dem Produkt aus Energie und Zeit. Von unserer Definition der Energie (E = m · v) ausgehend ergibt sich für die Wirkung (W) folgerichtig der Ausdruck: W = m · s. Sie ist als das Resultat einer aktiven Kraft aufzufassen, die über einen Weg hin auf einen materiellen Körper einwirkt.

In der Trägheitsphysik konnte man eine mathematische Entwicklung des Produktes aus träger Masse und Weg aus der dortigen vektoriellen Größe des Impulses (p = m · v) nicht in Erwägung ziehen, weil sie unter dem selbstbezüglichen Aspekt der Trägheit einfach sinnlos war. Der Bedeutung des Weges, über den Kräfte wirken, konnte man sich jedoch nicht ver- schließen und entwickelte den Energiebegriff. Dieser Begriff, der in der Trägheitsphysik als „Wegintegral der Kraft“ definiert ist, hat formal in einem Beschreibungssystem, das die Ereignisse auf die Zeit als Basis der Beurteilung festgelegt hat, keinen wissenschaftlich begründbaren Platz. Das kann man sich leicht klarmachen, wenn man die kinematischen Größen der Geschwindigkeit und der Beschleunigung in einem Koordinatensystem darstellt. Dabei wird die Zeit als „Basis“ der Betrachtung auf die horizontale Achse gelegt, außer für die Energie. Da wird das System sozusagen „gekippt“ und „a“ erhält dadurch die Bedeutung von „Verlangsamung“, die nur mit einem t/s-System der Langsamkeit korrelieren kann. Dies ist ein grandioser Unsinn. Trotzdem wurde dieser Energie in der klassischen Physik eine überragende Bedeutung zugesprochen. Oftmals  wurde sie sogar als die wichtigste Größe der Physik überhaupt bezeichnet.

Bei der neu definierten Wirkung (W) als Produkt aus passiver materieller Kraft und Abstand wächst wie bei der Trägheitsenergie wegen des Weg-Zeit-Gesetzes (s = ½ a t²) die Wirkung (W) einerseits mit dem Quadrat der zeitlichen Krafteinwirkung und ist andererseits zum Abstand streng proportional. Deshalb entspricht diese Größe (W), die rational ermittelt wurde, am meisten den Intentionen des klassischen Energiebegriffs.

Ebenso selbstverständlich ist, dass für die Energie (E = m · v) und die Wirkung (W = m · a) Erhaltungssätze gelten. Sie stehen jedoch nicht isoliert zueinander. In der ellipsenförmigen Bahn eines Körpers um ein Kraftzentrum kommt in überzeugender Form zum Ausdruck, dass sich Wirkung ständig in Energie umwandelt und Geschwindigkeit in Abstand. So wird zum Beispiel ein Verlust an definierter Entfernung durch eine bestimmte Erhöhung des Geschwindigkeitsbetrages kompensiert und umgekehrt, eben ganz so, wie Kepler es bereits in seinen Gesetzen festgehalten hat.

 Meine Absicht war es, mit diesem Vortrag ein kleines Licht in einen absolut „schwarzen“ Bereich der wissenschaftlichen Forschung zu bringen.

 Die hier vorgestellten, unwiderlegbaren Ergebnisse sind noch nicht recht publik geworden, denn mit allen Mitteln etablierter Ignoranz und Überheblichkeit blockt man sie ab.

Ich bin aber sicher, jeder hier von Ihnen in der Gesellschaft für außergewöhnliche Ideen, der die Gedanken aufnimmt, hat die Potenz einer Initialzündung.

 

Verehrte Anwesende, ich danke Ihnen herzlich für Ihre Geduld, mit der Sie meinen Ausführungen  gefolgt sind.


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