Kommentar zum Vortrag von
Dr. Kapuste in der Gesellschaft für außergewöhnliche Ideen
Diesen Kommentar schreibe ich, damit niemand
glaubt, daß alle Mitglieder der Gesellschaft für außergewöhnliche
Ideen ganz und gar hinter den Ausführungen von Dr. Kapuste,
besonders der von ihm verfochtenen orthomolekularen Therapie stehen würden.
Den ersten Teil seines Vortrages mit umfassenden
Studien zur medizinischen Ausbildung an Universitäten verschiedener
Länder fand ich hochinteressant. Auch beeindruckte mich die hohe Motivation
des Vortragenden. Er ist ein Idealist, deren es leider zuwenige gibt, der
aus voller Überzeugung, und nicht aus Profitgier handelt.
Ganz im Gegensatz zu einem auch bei dieser
Versammlung anwesenden Vertreter, deren es leider zuviele gibt, die mit
horrenden Preisen ihre Produkte verkaufen wollen, indem sie nach erfolgter
Kritik an Pharmaindustrien und dem vorherrschenden medizinischen
System ihre Produkte als natürlich, gar biologisch, ohne unerwünschte
Wirkungen auch bei hohen Dosen etc. darstellen.
Dieser Eindruck kam besonders zum Ausdruck,
als Dr. Kapuste im zweiten Teil seines Vortrages, nämlich über
orthomulekulare Therapie, erwähnte, daß es die meisten dieser
Mittel sehr wohlfeil in Apotheken zu kaufen gäbe (und Preise nannte),
worauf dieser Herr den Einwurf machte, mit solchen Äußerungen
würden die Preise ruiniert. Als er die allgemeine Reaktion des Publikums
bemerkte, beteuerte er, es handele sich um einen Scherz.
Klarstellung: Die orthomolekulare Medizin
ist keine Ernährungsform und widerspricht den Gesetzen der Naturheilkunde.
Nicht alles, was von dem, was in den Universitäten
offiziell gelehrt wird, abweicht, kann man als Naturheilkunde betrachten.
Laut Christoph Wilhelm Hufeland dient die Naturheilkunde der Natur, die
Schulmedizin jedoch der Schule, d.h. sich selbst (gekürzt aus neue
Auswahl kleiner medizinischer Schriften Bd.I, Berlin 1834, S.110). Diesen
Selbstzweck sehe ich in so manchen, wie Pilze aus dem Boden schießenden,
sich naturheilkundlich nennender Therapieverfahren. Dazu gehört meiner
Meinung nach auch die orthomolekulare Therapie, die sich als Ernährungstherapie
bezeichnet. Diesen Begriff halte ich für unrichtig, weil diese Therapie
nicht aus Ernährungsrichtlinien besteht, sondern zum Einnehmen von
qualitativ und quantitativ so in der Natur nicht vorkommenden Stoffen verleitet.
In den meisten naturheilkundlichen Verfahren
wird versucht, in die Regulationsmechanismen des Menschen derart einzugreifen,
daß im Idealfall nach erfolgter Therapie weder Medikamente
noch ein Behandler gebraucht wird.
Voraussetzung dafür ist jedoch eine
gesunde Lebensweise (Atmung, Bewegung, Psychohygiene, soziokulturelles
Umfeld) sowie eine vollwertige, biologische, individuell angepaßte
Ernährung. Dann hat der Körper die Möglichkeit, sich zu
nehmen, was er braucht, diese Grundstoffe aufzubereiten und angebracht
zu verwerten. Bei entsprechender Selbsterziehung zu einer gesunden Lebensweise
wird das Individuum allmählich wieder selbst in der Lage sein, die
entsprechenden Nahrungsmittel (sofern sie denn echte Nahrungsmittel sind),
die gerade gebraucht werden, zu sich zu nehmen (z.B. durch Lust auf einen
Apfel). Ein Nahrungsmittel hat nicht nur die Wirkung seiner mannigfaltigen
Einzelstoffe (die wir nie so nachmachen können), sondern eine Gesamtwirkung.
Es wäre töricht, die Wirkung z.B. einer Pflanze mit ihren Inhaltsstoffen
allein beschreiben zu wollen (was jedoch allzu häufig geschieht).
Wer sich auf industriell gefertigte Einzelstoffe
stützt, wird sich nie auf sein Gefühl verlassen können,
sondern bleibt abhängig von Behandlern, Listen und einer sich neu
etablierenden Pharmaindustrie.
Trotzdem ist in seltenen Fällen gegen
eine kurzzeitige Sublimierung von z.B. Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen,
Vitalstoffen etc. nichts einzuwenden, solange dies nicht als alleiniges
Therapieverfahren angesehen wird. Man sollte dabei aber wissen, daß
nicht von Heilung gesprochen werden kann, wenn jemand ein Mittel nimmt,
und die Symptome so lange weg sind, wie das Mittel genommen wird. Wird
es aber abgesetzt, so sind die Symptome wieder da, und zwar nicht, weil
es sich um einen quantitativen Mangel einzelner Stoffe handelt, sondern
weil die Regulationsmechanismen des Individuums verschoben sind. Der Stoffhaushalt
eines Menschen ist ein sehr sensibles System. Seine Regulation kann oft
durch kleinste Gaben oder Reize beeinflußt werden, wodurch sich die
Wirkungen von Homöopathie, Akupunktur und deren zahlreiche Verwandte
auch erklären lassen.
Der Mensch ist kein Sack, in dem man bei
Mangel eines Stoffes an einer bestimmten Stelle denselben einfach hineinwerfen
kann, und alles ist wieder in Ordnung.
Das heißt: Wenn bei einem Lebewesen
Symptome von Mangelerscheinungen eines Stoffes auftreten, obwohl dieser
Stoff ausreichend mit der Ernährung zugeführt wird, muß
man danach trachten, die Regulationsmechanismen im inneren und äußeren
Stoffwechsel dahingehend zu verschieben, daß der geforderte Stoff
dort wirken kann, wo er gebraucht wird.
Die gesteigerte Dosis des von außen
zugeführten Stoffes würde nur zu einer weiteren Steigerung
des äußeren Bedarfes führen. Dies wäre zwar im Sinne
des Verkäufers, aber nicht des Verbrauchers.